Lippe "Lippe" ist seit dem 21.1.1947 ein Landesteil des Bundeslandes Nordrhein-Westenfalen. In den hier interessierenden historischen Epochen, dem Ersten Weltkrieg und der Weimarer Republik war Lippe dagegen ein selbstständiger Staat. 1926 ist in Detmold auf Betreiben ehemaliger Angehöriger des Infanterie-Regiments 55 ein Regimentsdenkmal errichtet worden. Das Regiment, Teil der preußischen 13. Division, hat während des Krieges ausschließlich in Frankreich gekämpft. Das Denkmal gibt die Verluste mit 132 Offiziere und 4128 Unteroffiziere und Mannschaften an. Diese Verluste eines deutschen Regimentes im Ersten Weltkrieg waren nicht ungewöhnlich. Das Denkmal führt auch wichtige Stationen der Westfront auf; darunter Neuve Chapelle. Bei Neuve Chapelle hat das Regiment am 9. Mai 1915 seinen blutigsten Tag des Krieges erlebt. Die meisten der über 200 Toten dieses Tages ruhen auf dem Soldatenfriedhof Illies in 3 Massengräbern und einigen Einzelgräbern. Viele lippische Dörfer und Städte haben an diesem und den folgenden Tagen Tote zu beklagen gehabt, so dass auf vielen Kriegerdenkmälern das Datum 9.5.1915 zu finden ist. Noch Jahre später wird in lippischen Zeitungen dieses Tages gedacht. Hätte das deutsche Kaiserreich den Krieg siegreich beendet, wäre für das Fürstentum Lippe der 9. Mai 1915 sicher ein wichtiger Gedenktag geworden.
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Kriegerdenkmäler in Lippe Etwa 120 Kriegerdenkmäler sind während der Weimarer Republik im Freistaat Lippe errichtet worden, die weitaus meisten in den Jahren 1921 bis 1923. In der Regel wurden sie auf Grund privater Initiativen geplant, finanziert und errichtet. Als treibende Kräfte erscheinen regelmäßig Lehrer, Pastoren, Gutsbesitzer, Fabrikanten, Geschäftsleute und die Kriegervereine. Standorte und Gestaltung betreffend, wurde ein möglichst breiter Konsens in den Gemeinden angestrebt, indem etwa verschiedene Denkmalsentwürfe zur Auswahl gestellt und in Dorfversammlungen über Standorte und Entwürfe entschieden wurde. Die Organisation übernahm ein Denkmalsausschuss, der auch die nötigen Gelder generierte. Nach Fertigstellung übergab der Denkmalsausschuss während der feierlichen Denkmalseinweihung, gerne an Karfreitag, Pfingsten oder Totensonntag, das Denkmal in die Obhut der Stadt oder Gemeinde, der Schulgemeinde, der Kirchengemeinde, der Friedhofsgemeinde, die feierlich versprachen das Denkmal zukünftig zu behüten. Besonders in den 1920 Jahren bis zur Inflation gab es einen, damals schon beklagten, Wettbewerb zwischen den Dörfern und Städten, die nicht nur alle ihr eigenes Denkmal haben wollten, sondern auch das prächtigste und größte. Im Freistaat Lippe gab es nicht wie im preußischen Westfalen eine „Beratungsstelle für Kriegerehrung“, die mäßigend auf die Denkmalsbewegung einwirken konnte, so dass in Lippe eine sehr „bunte“ Kriegerdenkmalslandschaft entstehen konnte. Die „Beratungsstelle“ ist bereits 1916 in Münster vom Stellvertretenden Generalkommando gegründet worden. Eine ihrer führenden Figuren war Max Sonnen, einer der Väter der „Weserrenaissance“. Die Lippischen Denkmalsväter, häufig deutschnational gesinnt, standen unter dem Eindruck der militärischen Niederlage vom November 1918, dem Tod von 2 Millionen deutscher Soldaten, dem Verlust der Monarchie durch die Revolution im November 1918 und dem als Schmach und Demütigung empfundenen Vertrag von Versailles von 1919, wozu sich später noch der ökonomischen Absturz durch die Inflation gesellen sollte.
Für sie hatten die Kriegerdenkmäler, so lassen die während der Einweihungsfeiern gehaltenen Reden** vermuten, drei wichtige Funktionen: Erstens erinnerten sie an die Männer, die ihr Leben als ein aktives Opfer für ihr Vaterland gegeben hatten. Sie sollten auf den Denkmälern ein stets sichtbares Vorbild für die nachfolgenden Generationen bilden. Zum anderen sollten die Denkmäler der Gegenwart, die als schwer erträglich und trostlos empfunden wurde, in Bezug auf den politischen, ökonomischen und militärischen Stand Deutschland nach Innen und Außen, als ein nach damaligem Diktion „Trostzeichen“ dienen. „Trostzeichen“ insoweit, da die Denkmäler ja von einer Zeit berichteten, in der Deutschland eine glänzende Monarchie war und ökonomisch und vor allem militärisch, groß und mächtig war und mit anderen Nationen im Kampf um Weltgeltung und Weltherrschaft stand. Konnte man doch an den Denkmälern ablesen, an welch bis dahin unbekannten Orten und weit entfernten Ländern, ja Kontinenten und Meeren die Männer aus dem Dorf gekämpft hatten und gestorben waren. Und keiner der zahlreichen Feinde in dem großen Ringen hatte es bis zum November 1918 geschafft, die Grenzen des Vaterlandes dauerhaft zu übertreten.
Zum Dritten und das war die Kernaussage der Denkmäler, sollten sie zur Einigkeit aufrufen. Einigkeit, das war das vermeintliche Augusterlebnis und war das Gegenteil von dem, was die Niederlage im November 1918 herbeigeführt hätte: der Verrat der kämpfenden Front durch die Heimat, das Agitieren der Politiker, der demokratischen Parteien und der Gewerkschaften. Diese imaginierte Einheit, so der Tenor vieler Redner während der Denkmalseinweihungen, vermöge „allein das deutsche Volk wieder groß und stark machen.“
Der auf vielen Kriegerdenkmälern zu findende Spruch „Den Gefallenen zur Ehre, den Lebenden zur Erinnerung, den Kommenden zur Mahnung“, sollte heute nicht falsch verstanden werden; Mahnung heißt hier nicht „Mahnung zu Frieden und Verständigung“, sondern „Mahnung zu Einigkeit“, d. h. Mahnung zur Kriegsbereitschaft und – fähigkeit. Um es ganz klar zu sagen, es ist die Mahnung „revidiert die militärische Niederlage vom November 1918 und den Versailler Vertrag von 1919!“ Die Kriegerdenkmäler rufen auf zum Krieg! Das unterstreicht auch ihr Schmuck, der bei Stahlhelm und Seitengewehr anfängt und über Gewehr und Handgranate bis zur Darstellung eines Nahkampfes zwischen deutschen und englischen Soldaten geht. Nach ihrer Errichtung waren die Denkmäler jeden Totensonntag und seit 1926 jeden Volkstrauertag, Treffpunkte vor allem von Revanchisten, die sich mit den Folgen des Ersten Weltkrieges und dem Vertrag von Versailles nicht abfinden konnten oder wollten und denen die Weimarer Demokratie verhasst war.
* Landesbibliothek Detmold Regionaldokumentation ba-doe-3-46 ** Als Beispiel hier ein Ausschnitt aus der "Weiherede" des Superindendenten Doht, anläßlich der Einweihung des Kriegerdenkmals Als weiteres Beispiel Pastor Kuhlmann bei der Einweihung des Kriegerdenkmals Brake am 26.6.1921: Im Zeitungsartikel zur Einweihung des Kriegerdenkmals in Laßbruch - Extertal am 24.7.1921 ist zu lesen: Pastor Weßel bei der Einweihung des Kriegerdenkmals in Cappel - Blomberg im Juni 1921:
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